Unser letzter kompletter Tag in Estland begann mit einem Sonnenaufgang – den allerdings nur die
wenigsten von uns mitbekamen, da er bereits um 4:19 stattfand. Diejenigen, die von den Sonnenstrahlen
geweckt wurden, hatten danach also noch die Gelegenheit zu knapp vier Stunden Schlaf, bevor es
zwischen 8:00 und 9:00 ans Frühstücken ging. Äußerst beliebt waren hierbei die frischen Croissants,
wohingegen das hausgemachte Porridge – sehr zur Verwunderung der Hotelbesitzerin – wenig Beachtung fand.
Gegen zehn Uhr machten wir uns gesammelt auf den Weg ins Stadtzentrum Haapsalus, wo bereits eine
Einheimische auf uns wartete, die uns eine Stadtführung angeboten hatte. Haapsalu besitzt zwar nur etwa zehntausend Einwohner, ist allerdings trotzdem auf Platz 15 der estnischen Städte, wenn es um die Größe geht und verdient somit die Bezeichnung „Stadt“ durchaus. Startpunkt der Führung war die „Haapsalu piiskopilinnus“, die etwa 700 Jahre alte Bischofsburg der Stadt, in der später auch unser letztes Konzert stattfinden sollte. Bekannt ist diese Burg vor allem durch Astrid Lindgrens Roman „Ronja Räubertochter“ – sie diente als Vorlage für die Zeichnungen der Mattisburg. Erklärbar ist dies durch die Tatsache, dass Ilon Wikland – Illustratorin der meisten Astrid Lindgren-Bücher – geborene Estin war und ihre Jugend Haapsalu verbrachte. Aufgrund dessen fallen bei einem Spaziergang durch Haapsalu immer wieder Gebäude oder Szenen auf, die an Bullerbü, die Brüder Löwenherz oder Karlsson auf dem Dach erinnern.
Ilon Wikland zu Ehren wurde in Haapsalu auch ein Museum eingerichtet, das bereits den nächsten Stopp
unserer Stadtführung darstellte. Darin befinden sich zahlreiche Orginalzeichnungen und Skizzen Ilon
Wiklands sowie nachgebaute Szenen aus beispielsweise „Karlsson vom Dach“. Darüber hinaus bietet das
Gebäude und der angrenzende Garten aber vor allem für Kinder Möglichkeiten zum Spielen, Zeichnen und Verstecken.
Anschließend ging es weiter über die Uferpromenade zu einem Tchaikovsky-Denkmal – der soll nämlich
angeblich in Haapsalu zu seinem Ballett „Schwanensee“ inspiriert worden sein. Besagte Schwäne
schwimmen übrigens samt ihren fünf Küken regelmäßig vor unserem Hotel herum – ob ihre Vorfahren
wirklich ausschlaggebend für Tchaikowskys Werk waren, ist natürlich eine andere Frage.
Damit endete bereits unsere Stadtführung und unsere freie Zeit begann. Teilweise wurde diese zum
Besuch des Ilon Wikland-Museums genutzt, zur Erkundung der Burg oder auch zum Baden im
nahegelegenen Binnengewässer genutzt.









Punkt 15:30 ging es nach zwei Tagen Instrumentenpause an die Anspielprobe für unser Konzert. Wie
bereits erwähnt, fand dieses in der zur Bischofburg gehörenden Domkirche statt, die eine der größten
einschiffigen Kirchen des Baltikums ist. Leider ging damit eine ungewohnte Schwierigkeit einher – in der
Domkirche herrscht ein Nachhall von 13 Sekunden. Für unsere Probe bedeutete das einerseits, dass jeder laute Akkord zu einem gewittergleichen Donnergrollen führte und andererseits, dass jedes Flüstern noch sekundenlang durch das Kirchenschiff hallte.
Wir meisterten jedoch auch diese Herausforderungen und begannen gegen 18 Uhr unser letztes Konzert in Estland. Unsere sagenhaften 30 Zuhörer konnten den Nachhall wenigstens ein bisschen abfangen und
reagierten teilweise sogar mit Tränen in den Augen – ob vor Freude oder vor Schreck, soll hier offen
bleiben.
In jedem Fall bildete das Konzert einen gelungenen Abschluss unserer Konzertreise, auch wenn die
anschließende Fotosession in der blendenden Sonne in Kombination mit dem wachsenden Hunger das
Glücksgefühl dann doch ein wenig strapazierte. Das Abendessen im Hotel konnte jedoch Abhilfe schaffen und so gingen wir alle in unseren letzten estnischen Abend, der mit einem Sonnenuntergang um 22:30 endete – im Gegensatz zum Sonnenaufgang erlebten diesen wohl alle von uns.




Mia & Julia